«Die Messe von Beethoven ist unausstehlich lächerlich und abscheulich, ich bin beschämt und wütend», schrieb Fürst Nikolaus Esterházy im Jahre 1803. So hätte sich 1518 auch mancher römischer Theologe zu Luthers Thesen äußern können. Beethoven und Luther führen in ganz unterschiedliche Kontexte. Das macht es umso spannender, sie ins Gespräch miteinander zu bringen. Beethoven erlebte als Neunzehnjähriger die Französische Revolution und lebte in einer Zeit von Umbrüchen; Luther war selbst stark an den Umbrüchen seiner Zeit beteiligt. Von der Kirche ihrer jeweiligen Zeit hielten weder Luther noch Beethoven viel. In seinem Oratorium «Christus am Ölberg» deutet Beethoven Christus im Sinn der Aufklärungstheologie als zugewandten Menschen, er betonte die Menschlichkeit Jesu. Man kann sagen, dass er damit einen Impuls Luthers schöpferisch weiterspann: die Entdeckung der religiösen Individualität und Freiheit der Einzelnen. Wie Luther war Beethoven davon überzeugt, dass jeder Mensch unmittelbar mit Gott kommunizieren könne – doch brachte er diese Überzeugung in ganz anderer Art zum Ausdruck als Luther. Beethoven brachte einen eigenen Mythus zum Tönen und eignete sich religiöse Motive in recht freier Weise an. Sein Mythos handelte von der mit eigener Kraft aus der Finsternis des Leidens zum Licht der Gottesgewissheit vordringenden einzelnen Person. Die Hörerinnen und Hörer sollten zum Einsatz gegen die Gewalten der Finsternis ermutigt werden. Prometheus und Christus wurden Beethoven zu einer Person, zum Lichtbringer. Was wohl Luther dazu gesagt hätte?
Leitung: PD Dr. Eva Harasta mit Dr. Stefan Rhein (Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt)
Zeit: 29. Februar 2020 um 19:30 - 21:00
Zur Veranstaltung bei der Akademie